1. Wir sind uns einig, dass die Corona-Pandemie die schwerste gesellschaftliche Krise ist, welche die Bundesrepublik Deutschland seit 1945 getroffen hat.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat keine Krise so weitreichende Folgen gehabt, wie die seit Februar 2022 in Deutschland um sich greifende Corona-Pandemie. Über 115.000 Menschen sind in Deutschland seit Beginn der Pandemie verstorben (Stand 18.1.2022). Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit wurden in erheblichem Maße eingeschränkt. Für viele Menschen bedeutete die Pandemie erhebliche wirtschaftliche Einschränkungen, Arbeitsplätze und ganze Branchen sind von der Krise existentiell beroht.
2. Wir sind der Auffassung, dass es keinem vergleichbaren Land der westlichen Hemisphäre so gut gelungen ist, durch diese Pandemie zu kommen. Im Vergleich ist die Zahl der Opfer relativ niedrig und die Einschränkungen für die Bürger konnten relativ gering gehalten werden.
Der Bundesrepbulik ist es gelungen, einen guten Mittelweg zwischen notwendigen Einschränkungen der Grundrechte und wirtschaftlichen Restriktionen einerseits und einem Ausufern der Pandemie zu finden. Es gibt zwar Länder mit niedrigeren Corona-Zahlen, doch wurden diese mit massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (Australien, Neuseeland) oder der Grundrechte (China) erkauft. Auf der anderen Seite gibt es Länder mit geringeren Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Kontakte, mit dem Verzicht auf Abstand und Maskenpflicht, doch wurden diese Freiheiten und „freedom days“ fast immer mit sehr viel höheren Erkrankungs- und Opferzahlen erkauft (Großbritannien, USA, Schweden, Schweiz).
3. Wir sehen, dass das deutsche Gesundheitssystem durch die Pandemie in extremen Maße belastet wurde und wird. Zugleich hat es sich aber auch als sehr leistungsfähig erwiesen.
In manchen Bereichen war das deutsche Gesundheitssystem schon vor der Pandemie sehr belastet (z.B. Kindermedizin). Durch den hohen Einsatz der ÄrztInnen und PflegerInnen ist es weithin gelungen Extremsituationen wie anderen Ländern (USA, Italien) zu vermeiden. Das Beispiel Biontec zeigt, wie segensreich sich die breit gestreuten Investitionen in medizinische Zukunftstechnologien in Deutschland auswirken können.
4. Wir treten dafür ein, dass die Beschäftigten im Gesundheitswesen besser bezahlt und durch Neueinstellungen entlastet werden.
Trotz des hohen Standards der Gesundheitsversorgung in Deutschland und trotz des großen Engagements des medizinischen Personals hat die Pandemie auch Schwächen des Gesundheitssystems deutlich werden lassen: Es ist richtig, dass den Mitarbeitenden des Gesundheitssystems ihr hohes Engagement durch Sonderzahlungen honoriert wird. Darüber hinaus muss für dauerhafte strukturelle Verbesserungen, eine bessere Entlohnung und eine attraktive Ausbildung gesorgt werden. Die Gesundheitsämter und die Gesundheitsvorsorge in den Betrieben soll gestärkt werden. Medizinische Produkte, Medikamente und ihre Vorprodukte sollten wieder stärker in Deutschland und Europa beheimatet sein.
5. Die schnellen und massiven staatlichen Hilfen für ArbeitnehmerInnen, Selbständige und Unternehmen, die von der Pandemie stark betroffen waren, haben sich trotz einiger Lücken als ausgesprochen hilfreich erwiesen. Wir treten dafür ein, dass diese Maßnahmen fortgeschrieben und angepasst werden.
Die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung, schnelle Hilfen wie Kurzarbeitergeld und Unterstützungen für Unternehmen und Selbständige haben ausgesprochen gut gewirkt; viele Menschen wurden vor der Arbeitslosigkeit, viele Firmen vor der Insolvenz bewahrt. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 (4,6%) konnte dies bereits 2021zum größeren Teil wiederaufgeholt werden (2,7%). Gleichwohl haben nicht wenige Menschen ihren Arbeitsplatz verloren oder die Branche gewechselt; viele Firmen befinden sich noch immer im Krisenmodus. Hier sollten die Hilfsmaßnahmen verfeinert und Unterstützung für die Neuorientierung oder den Wiederaufbau von Geschäftsmodellen gegeben werden.
6. Die Pandemie hat unser gesellschaftliches Miteinander und unsere Demokratie stark belastet. Wir rufen dazu auf, die Diskussion zu versachlichen und Hetze und Polemik insbesondere von rechten Trittbrettfahrern entgegenzutreten.
Die Pandemie stellt auch für die demokratische Gesellschaft eine Herausforderung dar. Schon in den traditionellen öffentlichen Medien haben die häufigen Meldungen, Meinungen und Forderungen von berufenen und unberufenen ExpertInnen zu einem hitzigen Diskussionsklima beigetragen. Diese Überhitzung der Debatten wird in den sog. „sozialen Medien“ in vielerlei Hinsicht auf die Spitze getrieben. Menschen, die sonst selten den Beipackzettel ihrer Medikamente lesen, fürchten durch die Corona-Impfung schwerste gesundheitliche Folgen, Unfruchtbarkeit und genetische Veränderungen, befeuert durch selbstberufene Gesundheitsapostel und rechtsradikale Trittbrettfahrer. Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge werden als Corona-Diktatur abqualifiziert. In solchen Entwicklungen, welche die sehr viel härteren Corona-Maßnahmen in echten Diktaturen und die deutlich höhere Zahl an Opfern in Ländern mit größeren Freiheiten ausblenden, zeigt sich ein Abnehmen des Gemeinsinns und wechselseitiger Verantwortung. Wir treten dafür ein, dass Hetze und Polemik in den sog. sozialen Medien konsequent bekämpft, Verleumdung und ähnliche Straftaten verfolgt werden. Wir treten zugleich dafür ein, dass Beteiligungsformen und Dialogmöglichkeiten auf kommunaler Ebene gestärkt werden.